Nichts geht mehr, aber ich. Ich gehe…

Nichts geht mehr, aber ich. Ich gehe. Ich gehe zu weit und noch viel weiter. Niemand hält mich an. Nichts hält mich auf. Die Erschöpfung hastet mir hinterher oder eilt mir voraus. Sie ist eine alte aber keine gute Bekannte. Ich habe nie wissen wollen, was ich mit ihr anfangen soll. Alles, was ich immer wusste war, dass ich in Begleitung der Erschöpfung nicht gesehen werden wollte, nicht mal von mir selbst. Ich habe sie immer übersehen. Sie ist immer geblieben. Trotzdem bin ich weiter zu weit und noch viel weiter gegangen, all die Jahre. Und ich gehe immer noch. Zu weit.

Die Erschöpfung hat sich Verstärkung geholt. Im Vorbeigehen lese ich in grellen Farben an Häuserwände gesprüht: „ES WIRD NIE REICHEN. EGAL, WIE WEIT DU GEHST!“  Es steht an jeder Wand. Ich gehe weiter. Trotz der Textgraffitis und gerade ihretwegen. Nicht aufgeben. Es muss reichen. Irgendwann muss ich reichen und dafür gehe ich zu weit und noch viel weiter. Fratzenhafte Wesen springen aus dunklen Straßenecken. Sie sprechen lautlos und ich kann es von ihren Lippen lesen: „ES WIRD NIE REICHEN! NIE! NIE! NIE!“  Andere Gestalten haben sich am Wegesrand niedergelassen und flüstern im Chor: „DU KANNST SO WEIT GEHEN, WIE DU WILLST UND NOCH VIEL WEITER, DU WIRST NIE WEIT GENUG GEGANGEN SEIN!“

Und ich? Ich gehe weiter und  gerade als ich mal wieder weiter als viel zu weit und noch ein bisschen weiter gegangen bin, kriegt die Erschöpfung einen Hustenanfall. Sie krümmt sich, krallt sich fest an meinem Arm. Ich versuche, sie abzuschütteln. Sie zerrt an mir, zwingt mich in die Knie und zu Boden. Ich schaue ihr ins Gesicht. Bisher habe ich nicht mal gewusst, dass sie eins hat.

Nichts geht mehr. Ich auch nicht.

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